Catherine Hermary – Vieille hat hier eine Romy Schneider Biographie der besonderen Art verfasst. Neben den bekannten Fakten und Eckdaten ihres Lebens hat sie zu jeder Lebenssituation Romys versucht Hintergründe, Gefühle und Gedanken mit einzuflechten. Dies ist ihr auch recht gut gelungen. Diese prosaischen Teile haben mir auch sehr gut gefallen. Man bekommt einen guten Eindruck von Romys Leben.
Stellenweise war es mir nur ein wenig zu trocken. Ein paar Bilder hätten der Biographie nicht geschadet und eine Konzentration auf einige besondere Lebensabschnitte wäre besser gewesen, anstatt alle Stationen nur anzukratzen.
Alles in allem doch lesenswert.

Meine Bewertung:

Taschenbuch: 240 Seiten
Verlag: Marion von Schröder Verlag
Sprache: Französisch
ISBN-10: 2070380424

ISBN-13: 978-2070380428

Buchzitate

Juni 3


Die Rechte des Lesers

 

 

1. Das Recht, nicht zu lesen.
2. Das Recht, Seiten zu überspringen.
3. Das Recht, ein Buch nicht zu Ende zu lesen.
4. Das Recht, noch einmal zu lesen.
5. Das Recht, irgendwas zu lesen.
6. Das Recht auf Bovarysmus, das heiß, den Roman als Leben zu sehen.
7. Das Recht, überall zu lesen.
8. Das Recht, herumzuschmökern.
9. Das Recht, laut zu lesen.
10.Das Recht zu schweigen.

 

Aus : „Wie ein Roman“ von Daniel Pennac


Viele Jahre sind seit dem vergangen, und nun spricht eine Schulfreundin, die Erzählerin auf ein Mädchen aus ihrer Schulzeit an, fragt sie, ob sie sich erinnere. Das tut sie, sie hat es immer getan all die ganzen Jahre lang, auch wenn der „Erwachsenenkummer und zudem noch Niederlagen“ sie haben abdriften lassen.

Erzählt werden nun eben diese Erinnerungen, Gedanken, Fragmente ihres Lebens in der Zeit 1943/44 im besetzten Paris.
Erinnerungen an ihren drögen Alltag im Krieg, an die aufreibende Scheidung ihrer Eltern, das folgende Leben mit der lieblosen Mutter und dem Hoffen auf die Rückkehr des geliebten Vaters, und vor allem an Rosie Bloch, an ihre beste Freundin und deren, anzunehmend jüdische, Familie, eine aus Österreich geflohene Familie, die nun auch in Paris in Gefahr lebt. Flucht vor dem Grauen ihres Alltags finden die beiden Mädchen in ihrer Fantasie, insbesondere beflügelt von einem wunderschönen Gemälde Klimts, auf dem Emilie Bloch, die Großmutter, verewigt worden ist. Sie träumen von der glamourösen Zeit in Wien 1902, als dieses Bild entstand, einer zeit des Wohlstands und des Glücks, das jedoch nie wiederkehren wird. Rosie und die Familie werden bald deportiert. Die Wucht der Wirklichkeit trifft das Mädchen hart.In diesem Buch gibt es viele kleine Kapitel, oft scheint die Sprache stakkatohaft, fast zerrissen, doch bewirkt dies keinerlei Verwirrung, eher eine unheimlich intensive Identifikation mit den Gedanken der Erzählerin. Ihre Gedanken und Gefühle erscheinen plastisch und sind ergreifend. Jedes Detail ist stimmig, die Geschichte rund.
„Abschied vom Glück“ ist ein sehr eigenwilliges, ein besonderes Buch. Für mich ein kleines Juwel!Anne Walter, eine wunderbare, einzigartige Autorin die hierzulande, unberechtigterweise, völlig unbekannt ist.
„Abschied vom Glück“ ist ihr neunter Roman, allerdings ihr erster Roman, der in deutscher Übersetzung erschienen ist und wie mir scheint wird er, mangels kommerziellem Erfolg, auch der einzige bleiben. Der Roman ist, wie man dem Klappentext entnehmen kann, ein stark autobiografisch gefärbter Roman. Dieses Wissen lässt die Geschichte um so intensiver wirken.
Lesen !

Meine Bewertung:

Gebundene Ausgabe: 152 Seiten
Verlag: List; Auflage: N.- A. (1997)
ISBN-10: 3471791574
ISBN-13:978-3471791578

Wie war das Leben, nebst dem harten Alltag, zu Uromas Zeiten auf dem Lande?

Margaret Skjelbergs Roman „Lerchenherzen“ möchte diese Frage gerne beantworten.
Hier wird die Geschichte einer norwegischen Familie und ihrem Umfeld von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Nazizeit erzählt. Die Erzählerin der Geschichte ist eine Frau, wie man unschwer vermutet eine Nachfahrin. Sie erzählt die Geschichte ihrer Familie ihrem neu geborenen Kind, um ihre Lieben vor der Vergessenheit zu bewahren.
Hauptsächlich, wenn man bei der Fülle an Figuren so sagen kann, wird das Leben Mathildes, deren Mutter bei ihrer Geburt stirbt erzählt.
Natürlich sind in jenen harten Zeiten einige harte Schicksale und gescheiterte Existenzen zu erwarten, wobei auch die kleinen Freuden sehr schön bedacht und beschrieben werden. In diesen kleinen Details liegt meiner Meinung nach auch die Stärke dieses Romans. Die sichere Beschreibung von fast unmerklichen, oft unbeholfenen Gesten der Zuneigung, die leisen Zwischentöne, sie machen diesen Roman besonders und lesenswert.
Weniger hat mir das Tempo des Romans zugesagt. Eine rasante Fahrt durch ein Jahrhundert voller menschlicher Schicksale und interessanter Figuren, von denen wohl jeder einen Roman für sich beanspruchen könnte, in nur 217 Seiten. Das kann nicht funktionieren, und so ist es auch letztendlich in diesem Roman. Die Protagonisten werden, bis auf die erwähnten kleinen, großen Momente, schnell runtererzählt. Mit der Masse an Figuren, die teilweise in diesem Roman auftauchen wird man förmlich erschlagen, teilweise hat man einfach keinen Durchblick mehr.
In diesem Gewusel geht der einzelne Charakter, bei dieser Kürze, einfach unter. Daher war „Lerchenherzen“ für mich am Ende doch leider nur eine mittelmäßiger Roman und die Taschentücher, die man beim Lesen bereit halten sollte, blieben unbenutzt.
Es gibt zwei Fortsetzungen von diesem Buch „Windgesang“ und „Elfenecho“. Auf sie werde ich wohl verzichten.

Meine Bewertung:

ISBN: 3423204753
Übersetzt von Sigrid Engeler
DTV Deutscher Taschenbuch
Dezember 2001 – kartoniert – 217 Seiten
Originaltitel: Lerkehjerter.
‚dtv – Taschenbücher‘.

Nach der fantastischen Novelle „Meeresrand“ habe ich nun hier meinen zweiten ( und ihren fünften ) Roman von Olmi vor mir liegen. „Ein Mann eine Frau“ Meine Erwartungen an Veronique Olmi waren erwartungsgemäß sehr hoch, habe ich sie doch als virtuose Sprachkünstlerin mit anspruchsvollen Thematiken und aufgefeilten Storys in Erinnerung. „Ein Mann eine Frau“ stehe ich allerdings sehr ambivalent gegenüber. Die Geschichte ist schnell erzählt. Da ist eine abgemagerte, leidgezeichnete Frau Anfang Vierzig, Mutter von zwei Kindern, deren Ehe gerade ein Ende mit Schrecken genommen hat, ihr Mann wurde geisteskrank. Sie leidet sehr, besonders unter der Tatsache das die Kinder derzeit bei ihrem Vater sind, also in Gefahr und außerhalb ihrer Reichweite. Und da ist ein etwas korpulenter Mann in den Fünfzigern. Er hat sie lange aus der Ferne begehrt, nun treffen sie sich zum ersten Mal. Sie verbringen einen Nachmittag zusammen in einem Hotel. Sie schlafen miteinander. Beide hadern mit ihren Körpern, wie mit ihren persönlichen Schicksalen, lernen jedoch beide an diesem Nachmittag sich selbst, die Liebe und das Leben neu kennen. Auf der einen Seite überzeugt Olmi wieder einmal mit ihrer Sprachgewalt und ihrem Gefühl für Situationen, menschliches Drama und ungewöhnlichen, aber romantischen Atmosphären. Jede Szene, jedes Bild, jedes Gefühl wird seziert und dem Leser en detail nahe gebracht.
Auf der anderen Seite ist in diesem Roman das Gleichgewicht zwischen Story und den eingehenden Beschreibungen des Geschlechtsaktes durcheinander geraten. Von den hundert Seiten des Buches widmet sie achtzig dem eigentlichen Akt.
Hier stören nicht so sehr die drastischen, derben Schilderungen, die fast pornografischen Szenen an sich, (obwohl einen schon das Gefühl beschleichen kann unerwünschter Spanner zu sein) nur eben deren Ausmasse.
Die Hintergründe und Motive der Protagonisten werden vernachlässigt, zu sehr meiner Meinung nach. Man lernt die Figuren nicht kennen, sie und ihre Geschichten bleiben fremd.
Die Einleitung zu diesem Nachmittag im Hotel will zu schnell zu dem Punkt des Geschlechtsaktes führen, ebenso ist die kurze Abhandlung am Schluss unbefriedigend. Ein Nachmittag mit Sex, der einem bewusst macht das Leiden zum Leben gehört? Irgendwie passt hier einiges nicht.
Fazit:
Zwar ein etwas verunglückter, ungewöhnlicher Roman einer wunderbaren Autorin, aber irgendwie doch lesenswert.

Meine Bewertung:

ISBN: 3888974267
Übersetzt von Claudia Steinitz
Kunstmann Antje GmbH
März 2006 – gebunden – 110 Seiten
Originaltitel: La pluie ne change rien au désir.

 

Im Moment haben es mir diese kleinen, bezaubernden Franzosen angetan, und dieser hier war wieder einmal ein Glücksgriff!

„Die kleine Bijou“, so nannte ihre Mutter sie, als Therese noch klein war und sie zusammen am Bois de Boulogne lebten. Doch „die kleine Bijou“ gibt es nicht mehr…
Eine jungen Frau erzählt die ergreifende Geschichte von der Suche nach ihrer Kindheit. Sie beginnt an dem Tag, als Therese ihre totgegeglaubte Mutter in der Metro wiedererkennt. Sie folgt ihr durch ganz Paris. Immer intensiver werden nun die raren, verdrängten, weil schmerzhaften Erinnerungen an die Kindheit.
Therese wird als Kind einer erfolglosen Tänzerin geboren, die viele wechselnde Männerbekanntschaften pflegt und tagelang nicht nach Hause kommt. So oft es geht schiebt sie die Kleine ab, ignoriert sie fast gänzlich. Sie ist ihrer Rolle als Mutter nicht gewachsen.
Das Mädchen hat keine festen Bezugspunkte oder vertraute Menschen in ihrem Leben, innerlich vereinsamt sie immer mehr. Letztendlich sagt man der „kleinen Bijou“, dass ihre Mutter nach Marokko verzogen und dort verstorben sei. Das Mädchen fragt auch nicht mehr nach, vergisst all das Geschehen, bis sie eben ihrer Mutter wiederbegegnet. Sie wagt es nicht sie anzusprechen, forscht aber in ihrem Umfeld nach, will nun endlich wissen warum die Mutter sie damals so von sich gestossen hat.
Parallel zu dieser inneren, wie äusseren Suche, mitten im Chaos ihres Lebens lernt Therese einige Menschen kennen, denen sie sich anvertrauen kann und die sie verstehen, nur erkennt sie das noch rechtzeitig?

Patrick Modiano hat hier einen sehr eindrucksvollen Roman geschrieben. Die Atmosphäre, die er mit seiner bildhaften, melodischen Sprache erzeugt, ist erstklassig.
Man kann die Geschichte nicht „schnell mal runterlesen“, denn die Wirkung setzt erst nach einiger Zeit ein. Sie bringt einen zum Nachdenken, lässt einen an einem anderen Leben teilhaben und uns die Konflikte und Gedanken hautnah miterleben. Man benötigt etwas Zeit,um den Roman so recht würdigen zu können, doch es lohnt sich.
Überzeugend auch die gute Übersetzung von Peter Handke.

Meine Bewertung:

ISBN: 3442732557
Übersetzt von Peter Handke
Btb
April 2005 – kartoniert – 154 Seiten
Originaltitel: La Petite Bijou.

Die siebzigjährige Witwe Marthe lebt seit dem Tod ihres Mannes Edmond alleine in ihrer Wohnung.
Über fünfzig Jahre war sie mit Edmond, diesem Mann, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte, verheiratet.
Ihr Leben lang hat sie pflichtbewusst ihre Aufgabe als Ehefrau und Mutter erfüllt, für andere gelebt.
Nun sind die Kinder aus dem Haus, Edmond tot. Marthe lebt in einem Vakuum, sieht keinen rechten Sinn im Leben, als auf die Anrufe ihrer Enkel zu warten und sich auf ihre Gebrechen, die Arztbesuche zu konzentrieren und ihren Eisenkraut Tee zu trinken.
So lebt sie vor sich hin, bis, ja, bis sie ihn sieht, Felix. Sie begegnen sich in ihrem Stammcafe. Er ist „der Mann mit den tausend Halstüchern“, fasziniert sie sofort. Als er seinen Kaffee trinkt und ihr dabei fest in die Augen sieht, ihren Blick nicht mehr los lässt, geschieht es, sie verlieben sich ineinander. Marthe Leben ändert sich von Grund auf durch die Bekanntschaft zu dem Maler Felix.
Die alte Dame entdeckt sich komplett neu. Eine verdorrt geglaubte Blüte die im Herbst erblüht.“Die Klatschmohnfrau“ ist ein sehr gelungenes Buch, rundherum stimmig. Eine Alltagsgeschichte mit Weisheit und tiefem Einblick in das Leben und die Psyche der Protagonisten, allerdings leicht und locker geschrieben, niemals zu lehrmeisterhaft oder pathetisch.
Eine sehr positive Geschichte mit einer vollen Dosis Optimismus, die man beschwingt wieder verlässt. Mal wieder eine Perle der französischen Belletristik, ich werde sicher noch einiges von Châtelet lesen.
Ein absoluter Lesetipp!

Meine Bewertung:

ISBN: 3462029975
Übersetzt von Uli Wittmann
Kiepenheuer & Witsch GmbH
Mai 2001 – kartoniert – 174 Seiten
Originaltitel: La femme coquelicot.
‚KIWI‘.

 

Klappentext:

Der Träumer – »was soll ihm noch unser wirkliches Leben! … da er selber der Künstler seines Lebens ist und es zu jeder Stunde nach neuer Laune sich erschaffen kann. Wie leicht und wie selbstverständlich wird diese märchenhafte, phantastische Welt erschaffen!… Man könnte in mancher Minute fast glauben, daß dieses Leben nicht etwa nur eine Erregung der Gefühle sei, kein Gaukelspiel, kein Trug der Einbildung, sondern daß es geradezu das wirkliche, wahrhaftige und rechte Leben ist!«

Meine Meinung:

Leider nur ein Schnellverfahren für Dostojewski, weil ich im Moment nicht die Zeit und die Muße habe näher auf das Buch einzugehen.
Es hat mir ganz gut gefallen, leider habe ich es wohl zur falschen Zeit gelesen.
Der Satzbau ist teilweise sehr kompliziert, die Sprache sääähr blumig und poetisch. Teilweise muss man eine Seite mehrmals lesen, weil man am Ende der Seite den Anfang schon vergessen hat. Kurz:
Ich bin derzeit einfach nicht in Stimmung für pathetische, dramatische Russen.
Meine Bewertung:

ISBN: 3458345345
Übersetzt von Hermann Röhl
Insel Verlag
Juni 2002 – kartoniert – 109 Seiten
Eine Liebesgeschichte.


Véronique Olmi ist eine, in Frankreich sehr bekannte, Theaterautorin. „Meeresrand“ ist ihr erster Roman. Olmi, selbst Mutter zweier Töchter, hatte die Idee zu diesem Werk, nachdem sie eine Zeitungsmeldung über eine psychisch kranke Frau gelesen hatte, die mit ihren beiden Kinder einen Ausflug macht und sie anschließend umbringt. Dem Roman liegt also eine wahre Begebenheit zugrunde. Was Veronique Olmi daraus gemacht hat ist einfach unglaublich.

Sie erzählt die Geschichte aus der Perspektive der Mutter, düster, schonungslos auf den Punkt gebracht und dennoch ergreifend schön. Diese Mutter, aus einem sozial schwachen Milieu, psychisch krank, unter ständiger Beobachtung des Jugendamtes, plant nun eine Reise mit ihren beiden Söhnen, es ist die erste in deren Leben. Sie möchte ihren Kindern auf dieser Reise einmal das Meer zeigen, ihnen das Vergnügen bereiten, das sie ihnen nie bieten konnte…
Im Lauf der Geschichte dringt man immer tiefer in die Psyche dieser Frau ein, fühlt sie und somit auch ihre Verzweiflung, ihre Depression, aber auch die tiefe Liebe zu ihren Kindern, die sie letztendlich nur vor dem, von ihr so empfundenen, Grauen des Lebens eines Erwachsenen bewahren will.

Wie Olmi es schafft sich in diese Person hineinzuversetzen ist unheimlich, sie selbst sagte, dass sie den Roman sehr schnell geschrieben habe, denn länger hätte sie die Nähe dieser Person nicht ertragen können.
Fazit:
Sie hat es geschafft diese sehr schwere Thematik brillant umzusetzen, so kunstvoll, wie ich es noch nie zuvor gelesen habe.

Wenn ich in Philippe Claudel meinen Seelenverwandten sehe, ist Veronique Olmi das sicher auch.

Meine Bewertung:

ISBN: 3888973082
Übersetzt von Renate Nentwig
Kunstmann Antje GmbH
September 2002 – gebunden – 120 Seiten
Originaltitel: Bord de mer.

Wie stirbt eine große Liebe?

Der namenlose Erzähler fährt mit seiner Freundin Marie, einer Modedesignerin, nach Tokio, um dort eine Ausstellung Maries vorzubereiten. In der Tasche trägt er die ganze Zeit ein Fläschen mit Salzsäure…

Die beiden wollen sich trennen. Sie verbringen eine letzte schlaflose Nacht in einem Hotelzimmer in Tokio miteinander, doch beide spüren immer bewusster und voller Wut, Trauer und Ohnmacht, wie ihre Liebe langsam Schritt für Schritt stirbt.
Der Erzähler dieser Geschichte bringt es auf den Punkt.
„Aber mit ihr zu brechen, ich begann, mir das klar zumachen, war eher ein Zustand als ein Tun, eher Trauer als Agonie.“

Toussaint schwelgt in diesem Roman in einer außergewöhnlich schönen, bildhaften und poetischen Sprache. Er lässt die Bilder des nächtlichen Tokios vor dem geistigen Auge des Lesers auferstehen.
Der Autor lässt uns am Leben, Lieben und Leid der Protagonisten hautnah teilhaben. Lässt all die, fast surreale, Widersprüchlichkeit und die Leidenschaft einer sterbenden Liebe, klar und natürlich erscheinen.

Wie viele Bücher von Autoren der französischen Gegenwartsliteratur, mit 150 Seiten, ein kleines, aber inhaltlich riesiges Buch. Einzigartig, poetisch, ergreifend.

Wer den Film „Lost in Translation“ mochte, wird diesen Roman mehr als lieben.

Meine Bewertung:

ISBN: 3442734711
Übersetzt von Bernd Schwibs
Btb
September 2006 – kartoniert – 153 Seiten
Originaltitel: Faire l’amour.

Die dreizehnjährige Anna ist ein Kind, welches künstlich gezeugt wurde, um das genetische Ebenbild ihrer Schwester Kate zu sein. Kate ist nämlich an einer seltenen Form der Leukämie erkrankt und benötigt zum Überleben Blutspenden, die nur die genetisch identische Anna ihr geben kann.
Natürlich dreht sich in der Familie der Fitzgeralds mehr oder weniger alles, um die kranke Tochter. Die Eltern, die ehemalige Anwältin, und jetzige überzeugte Hausfrau und Mutter, Sara und der Kapitän einer Feuerwache Brian, kämpfen um das Leben ihrer todkranken Tochter Kate. Die anderen Kinder müssen viel entbehren, sie haben, jeder auf seine Weise, gelernt damit zu leben.
Der älteste Bruder Jesse, ist seit frühster Kindheit verhaltensauffällig, er nimmt Drogen, wird zum Kleinkriminellen. Anna, die jüngste ist der ruhige Pol und die Kraft der Sicherheit in der Familie. Wie selbstverständlich spendet Anna ihr Leben lang Blut und Knochenmark für ihre Schwester, ist stets vernünftig und selbstlos, bis sie, für alle völlig überraschend, eines Tages einen Anwalt aufsucht, um sich aus der elterlichen Gewalt in medizinischen Fragen entlassen zu lassen…

Jodi Picoult schafft es in diesem Buch, die Tragik eines todkranken Familienmitglieds sehr gut und durchaus tiefgründig zu vermitteln. Jedes Kapitel wird aus der Sicht eines anderen Familienmitgliedes, auch aus der Sicht des Anwaltes, geschrieben, so dass man sich in alle Charaktere gut hineinversetzen kann.
Ebenso hat die Autorin merklich sehr gut recherchiert. Die medizinischen, ethischen und juristischen Aspekte, wirken dadurch realistisch und authentisch. Bis hierhin ein gelungenes Werk. Nun aber zu dem großen Aber. Leider hat Jodi Picoult mitten unter dieses interessante und komplizierte Geflecht von Gefühlen und Gedanken, eine profane Liebesgeschichte, zwischen Anwalt und Verfahrenspflegerin, gemischt. Diese ist, meiner Ansicht nach, völlig überflüssig. Ebenso führt sie die Geschichte, durch ihr Unvermögen einen Sachverhalt für sich selbst sprechen zu lassen und ein billiges, unglaubwürdiges Ende, ad absurdum.

Meine Bewertung:

ISBN: 3492247962
Übersetzt von Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Piper Verlag GmbH
September 2006 – kartoniert – 478 Seiten
Originaltitel: My Sister’s Keeper.
‚Serie Piper‘.

 

Nach „Die grauen Seelen“ und „An meine Tochter“ ist „Monsieur Linh und die Gabe der Hoffnung“ nun der dritte, in Deutschland veröffentlichte, Roman von Philippe Claudel und, soviel sei verraten, er steht seinen Vorgängern in nichts nach.

Monsieur Linh ist ein alter Mann, in dessen ferner Heimat, Krieg und Terror herrschen. Sein Dorf wird dem Erdboden gleichgemacht, alle seine Bewohner ermordet, nur er kann mit seiner kleinen, neu geborenen Enkelin flüchten.
Um seine kleine Enkelin vor dem Krieg zu retten, besteigt der alte Mann schweren Herzens ein Flüchtlingsschiff in Richtung Frankreich, lässt seine geliebte, zerstörte Heimat hinter sich.
In „der neuen Welt“ angekommen, steht er vor dem Nichts. Er wird in einem Flüchtlingsheim, mit zwei anderen Familien aus seiner Heimat einquartiert, die den alten Monsieur Linh jedoch nur verachten und auslachen; und doch stellen sie für ihn eine letzte Verbindung zur Heimat dar. Er spricht kein Wort Französisch, ist völlig befremdet von der Kultur, von dieser „geruchlosen“, hektischen Welt.
Nur für seine kleine Enkelin scheint der alte Mann über sich selbst hinauszuwachsen. Für sie schafft er es auch nach draußen zu gehen und sich seiner Umgebung zu stellen.
Auf einer Parkbank, gegenüber eines Vergnügungsparks, lernt er Monsieur Bark, einen dicken, kettenrauchenden Witwer kennen. Die beiden schließen Freundschaft miteinander, kommen sich mit Mimik und kleinen Gesten, sehr nahe, ohne je ein Wort des anderen zu verstehen…

Claudels hat mit „Monsieur Linh“ wieder einmal ein Meisterwerk der Erzählkunst abgeliefert. Er benutzt eine leise, aber ergreifende Sprache, die unter die Haut geht und dort lange nachwirkt.
Er führt den Leser durch Verlust, Schmerz und Angst, hin zur Hoffnung. Der Roman hat nur knapp über 100 Seiten, mit denen er allerdings mehr transportiert, als so mancher Wälzer. Ein ganz wundervolles kleines Buch. Und nun hoffe auch ich; nämlich auf viele weitere Romane von Philippe Claudel.

Meine Bewertung:

ISBN: 3463404982
Übersetzt von Christiane Seiler
Kindler Verlag
Juli 2006
gebunden
160 Seiten

Da ich sonst nie das Wort an Sie richte, schreibe ich Ihnen nun diesen Brief.
Es war Liebe auf das erste Wort, ich kann Sie lesen und verstehe Sie nur allzu genau, als entsprängen die Sätze meinem eigenen Geiste.

Vor einigen Wochen entdeckte ich Sie, durch Zufall, in der Masse billiger Remittenden; und wie teuer sind Sie mir seit dem geworden…
Ich nahm Sie mit nach Hause, wir verbrachten eine wundervolle Zeit miteinander, oft auch in meinem Bett.
Ihre Worte berührten zärtlich meine Seele, ich lauschte ihnen voller Inbrunst, ohne Widerworte; und Sie erzählten mir stundenlang vom Krieg, von der Einsamkeit, vom Wahnsinn und von der Liebe. Manches mal lagen wir uns in den Armen und haben zusammen still geweint, um unsere Kenntnis vom Elend und den Qualen des menschlichen Lebens, um uns dann wieder Mut zu machen und uns zu schwören, jeden Tag, der uns bleibt, in Dankbarkeit und Bewusstsein seiner Schönheit zu verbringen. Wie schwer fiel mir der Abschied von Ihnen, meinem Seelenfreund, und doch war klar, unsere Zeit miteinander war kurz und schließlich waren Sie plötzlich verschwunden.
Ich schwor mir, nicht zu ruhen, bis ich Sie wiedergefunden hatte.Ich fragte Freunde, gab Suchmeldungen heraus und die letzten Groschen kratzte ich zusammen. Ich musste sie wieder bei mir haben!
Der Erfolg stellte sich ein, und ich fand Sie endlich, an einem verregneten Oktobertag, Sie hatten sich in einem Kaufhaus vor dem Unwetter und den Augen der Passanten verborgen, die nur auf der Suche nach billigen Abenteuern waren. Als wir mein Heim betreten hatten, sah ich, dass Sie etwas dünner geworden waren, doch ihre Worte hatten mehr Gehalt denn je.
Sofort war ich wieder in ihren Gedanken gefangen, konnte und wollte mich nicht befreien. Ja, und obwohl Sie mich nach unserer kurzen Liaison wieder verlassen hatten, hatte ich schon längst beschlossen Sie zu lieben; und gerade jetzt liegen Sie wieder auf meinem Couchtisch und erwarten meinen liebenden Griff und meinen Blick, der ihre Seiten zum klingen bringt.

Stellen Sie sich vor, in einer Unterhaltung mit Freunden, hat einer dieser behauptet Sie hätten die selben Worte und Gedanken auch mit ihm geteilt, ich habe ihm nicht geglaubt und ihn ausgelacht…

Ihre ewige Freundin

Esther Salome

Jane Eyre ist ein Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen.
Als sie, noch als Säugling, zur Waise wird, wird sie von ihrem Onkel Reed, der seiner Schwester und ihr sehr wohlgesonnen ist, in dessen Haushalt aufgenommen; dieser stirb jedoch bald. Zwar schafft er es seiner Frau am Sterbebett das Versprechen abzunehmen für seinen Mündel weiterhin zu sorgen, diese erfüllt ihre Aufgabe jedoch mit Widerwillen, denn sie hegt keinerlei Sympathie für das schreiende Balg der ungeliebten Schwägerin. Jane wächst ohne Liebe in einer eisigen Atmosphäre von Gateshead zu einem introvertierten, verschüchterten Mädchen heran. Von ihren Cousin und ihren Cousinen wird sie unterdrückt, von ihrer Tante wie ein lästiges Anhängsel ( „weniger Wert als ein Dienstmädchen, denn die verdienen sich ja ihr Brot“ ) abgetan. Mit der Zeit jedoch regt sich erster Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten ihres Lebens in dem Mädchen und schließlich fängt sie an sich zu wehren. Diese Versuche der Rebellion werden mit aller Härte gemaßregelt. Jane wird letztendlich verstoßen, in das Internat für arme Waise in Lowood gebracht.
Das Mädchen ist einerseits froh, Gateshead und der herrischen Tante zu entfliehen, muss aber auch zunächst in ihrem neuen Leben in Lowood, mit dem „Vermächtnis“ ihrer Tante, in Form von Verleumdungen und Lügen, die sich über den bigotten Schulleiter Mr. Brocklehurst verbreiten, leben lernen.
In Jahren voller Entbehrungen, Hunger und allgegenwärtigen Todes, schafft sie es, mit ihrem Geist, ihrem Fleiß und der Hilfe der, ihr zugewandten, Lehrerin Miss Temple bis zur Lehrerin von Lowood aufzusteigen.
Die, zur jungen Dame gereifte Jane, bedarf bald einer Herausforderung und Veränderung.Sie gibt ein Inserat auf und bekommt eine Stelle als Gouvernante eines Mündels des Gutsherren von Thornfield, Mr. Rochester.
Jane, die sich in Thornfield sehr wohl und heimisch fühlt, jedoch immer noch das Gefühl von Befangenheit in ihrem Leben verspürt, verliebt sich bald in den geheimnisvollen, zwanzig Jahre älteren, Mr. Rochester.Dieser, selbst durch ein ruheloses Leben voller Erfahrungen gereift, lässt sich von der unscheinbaren Gestalt Janes nicht täuschen, er erkennt ihren Geist und ihr Temperament und verliebt sich auch seinerseits in sie.
Über dem Gutshaus von Thornfield jedoch scheint ein Fluch zu liegen, den des Nachts geschehen merkwürdige Dinge.So hört sie oft unheimliche Geräusche und Stimmen, muss sie ihren Arbeitgeber vor dem Verbrennen retten.
Ungeachtet dessen und des Standesunterschiedes der beiden Liebenden, bitte Mr. Rochester, Jane seine Frau zu werden und die sagt ganzen Herzens „Ja“.
Am Tage der Hochzeit löst sich dann endgültig das Rätsel vom Gutshaus in Thornfield und verhindert damit die Hochzeit…

Charlotte Brontës Roman, den sie 1847 unter den geschlechtsneutralen Pseudonym Currer Bell veröffentlichte, ist ein sehr subtiler, interessanter Roman, der seinerzeit für einigen Aufruhr sorgte, zeigte er doch, dass in einer Frau mehr steckt als Duldsamkeit,Tugend, nämlich Kreativität,Temperament und Selbstbewusstsein. Er ist daher ein sehr wichtiger Roman für uns Frauen, ein weiterer Riss im Eis zwischen den Geschlechtern dieser Zeit.
Aus heutiger Sicht und ohne Hintergrundwissen könnte man ihn allerdings durchaus als trivialen Liebesroman in eine falsche Ecke drängen. Es lohnt sich allerdings die Hintergründe dieses Buches aufzudecken, denn es enthüllt sich ein echter Meilenstein der Literaturgeschichte, der zurecht heute als Klassiker gelten kann.

Meine Bewertung:

ISBN: 3717519654
Übersetzt von Andrea Ott
Manesse Verlag
778 Seiten